• Notwendige Vorbemerkung:

    Catherina von Bora war keine "Tochter eines verarmten Adligen"

    Bei der offenbar unausrottbaren Verarmungs-Legende handelt es sich um ein Relikt der antilutherischen Propaganda.
    Sie wurde bereits 1752 (!) von seriösen Autoren bezweifelt: "Die erste Frage ist, ob die Eltern der Catharina von Bora arm oder vermögend gewesen? Sie ist an sich gleichgültig. Wir wollen sie daher weder bejahen noch verneinen, aber den fehlerhaften Beweis des Engelhard [eines früheren Autoren] können wir nicht anerkennen." (Vgl. Walch, C. W. F.: Wahrhaftige Geschichte der seligen Frau Catharina von Bora, Halle 1752. S.20.)
    1843 wird festgestellt, daß die angebliche Armut ihrer Familie "durch keine glaubwürdige Nachricht verbürgt" sei. (Vgl. Beste, Wilhelm: Die Geschichte Catharina's von Bora. Halle 1843 S. 13, dort auch die französische Urquelle der Armutsbehauptung.)
    Die im Jahre 2009 aufgefundene Urkunde von 1531, wonach der leider nicht namentlich genannte Vater der Geschwister von Bora vor 1521 seinem Bruder "hundert Gulden in dessen Gut" (nach heutigen Wertverhältnissen wohl um 50.000 €) zur Verfügung gestellt hat (vgl. Genealogie 2010 S. 304), widerlegt die Armutslegende endgültig. Sie sollte daher - so anrührend sie auch sein mag - wie viele andere Legenden zu geschichtlichen Ereignissen der Reformationszeit nicht weiter kolportiert werden. Augenscheinlicher Gegenbeweis ist übrigens das 10-achsige von-Bora-Freygut in Dohna, nunmehr dortiges Rathaus.

    Überhaupt: Wie die meisten reformationsgeschichtlichen Ereignisse, so ist auch die Person der Catherina v. Bora von Legenden geradezu überwuchert. Von ihr sind nur wenige Schriftstücke überliefert, deren Eigenhändigkeit aber in Frage gestellt werden muß. Man sollte daher mit Indikativ-Aussagen, sie habe lesen, schreiben und sogar "ein wenig Latein" sprechen können, äußerst vorsichtig sein und derartige Vermutungen stets in Konjunktiv-Form kleiden. Es gibt weder zu ihrem mutmaßlichen Klosteraufenthalt in Brehna noch aus Nimbschen irgendwelche Belege, die gesicherte Rückschlüsse auf ihren Charakter, ihre Fähigkeiten oder sonstige individuellen Lebenssachverhalte zuließen. Ob der nur aus einem einzigen Briefzitat indirekt abgeleitete Klosteraufenthalt in Brehna hinreichend sicher als Klostereintritt vermutet werden darf, erscheint mehr als fraglich - es gibt Gründe, zu fragen, ob Catherina von Bora dort überhaupt Nonne war. Zur sogenannten "Klosterflucht aus Nimbschen" gibt es im Gegensatz zu anderen Klosteraustritten keinerlei aktenmäßige Überlieferung. Alle Beschreibungen der näheren Umstände beruhen somit auf dichterischer Freiheit und sollten deshalb ebenfalls als Vermutung gekennzeichnet werden. In jedem Falle sollten die so anrührenden Lebensbilder aus dem Anfang des 20. Jh. kritisch hinterfragt werden. Die damaligen Autoren (vor allem Kroker 1906) wußten es nicht besser zusammenzureimen.

    Neuere Forschungsergebnisse:

    " Martin Luthers Schwiegermutter kam aus Niederschlesien. "

    Näheres siehe

    Jürgen Wagner:
    "Fuit soror Doctorissae"?
    Zu einer rätselhaften Tischrede Dr. Martin Luthers
    und zur Verwandtschaft der Catherina v. Bora
    (Neue Erkenntnisse zu einer bisher unbekannten Schwester und zur Mutter der "Lutherin")
    in: Genealogie 2014 S. 243 - 257
    » lesen

    Jürgen Wagner:
    Ein neuer Beleg für Lippendorf als Geburtsort der Catherina v. Bora
    in : Genealogie 2014 S. 236
    und: ZMFG Zeitschrift für mitteldeutsche Familiengeschichte 2014 S. 442
    (Hinweis auf eine Urkunde von 1500 des Staatsarchivs Sagan (Niederschlesien),
    deren wesentlicher Inhalt bereits 1911 stark verkürzt publiziert wurde
    und die vermuten läßt, daß die leibliche Mutter Margarethe verehelichte v. Bora
    bürgerlicher Herkunft aus Sagan gewesen sein könnte.)

  • Einen Überblick über den bis 2012 erreichten Forschungsstand bietet:

    Jürgen Wagner:
    Catherina von Bora. Legenden und Historisches zu ihrer Herkunft.
    in: ZMFG Zeitschrift für mitteldeutsche Familiengeschichte 2013 S. 12 - 30
    (mit graphischen Darstellungen klassischer und aktueller Vorstellungen)
    » lesen

    Bei Fragen zu jüngeren, hier nicht im Volltext nachlesbaren Fachaufsätzen
    und zum aktuellen Stand der Forschungen wenden Sie sich bitte an den Autor.

  • Bisherige Forschungsergebnisse kurz und knapp:

    Jürgen Wagner:
    Zur Herkunft der Catherina v. Bora
    Klassische Vorstellungen und aktueller Forschungsstand
    graphisch dargestellt
    Manuskript Düsseldorf 2015
    » ansehen

    Jürgen Wagner:
    About the ancestry of Catherina v. Bora
    Conventional perceptions and the latest research results
    graphically illustrated
    Manuscript Düsseldorf 2015
    » click here

  • Ältere Aufsätze zum Umfeld der Catherina von Bora:

    Jürgen Wagner:
    Zur Geschichte der Familie v. Bora und einiger Güter in den sächsischen Ämtern Borna und Pegau
    (Lippendorf, Zöllsdorf, Kieritzsch)
    I. "Also scheint Züllsdorf in der That ein 'Erbdächlein' Derer von Bora gewesen zu sein"
    (mit einer neu aufgefundenen Urkunde von 1531 zur väterlichen Verwandtschaft der Catherina v. Bora)
    » ansehen
    II. Wer waren Martin Luthers Schwiegereltern?
    (mit einer Übersicht über "Das Haus Sahla der Familie v. Bora")
    » ansehen
    in: Genealogie 2010 S. 289 - 307
    English Summary:» click here

    Jürgen Wagner:
    On the ancestry and kin of Katharina von Bora
    Manuscript Düsseldorf 2012
    » click here
    Die deutsche Fassung dieses Aufsatzes ist nachzulesen in:
    Torgauer Heimatkalender 2013, S. 39-42


  • Ältere Fachaufsätze zur Herkunft der Katharina von Bora finden Sie auch hier:

    Jürgen Wagner:
    Zur mutmaßlichen Herkunft der Catherina v. Bora

    in: Genealogie. Deutsche Zeitschrift für Familienkunde. Jg. 2005, S.673-703
    » ansehen

    Jürgen Wagner:
    Nochmals: Zur Herkunft der Catherina v. Bora.
    Druckfehlerberichtigungen und Ergänzungen

    in: Genealogie. Deutsche Zeitschrift für Familienkunde. Jg. 2006, S.30-35
    » ansehen

    Jürgen Wagner:
    Die Beziehungen von Luthers Gemahlin, Catherina v. Bora, zur Familie v. Mergenthal

    in: Familienforschung in Mitteldeutschland (FFM) Jg. 2006, S.342-347
    » ansehen; English translation » click here;  Freundliche Erwähnung


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